Pößneck inspiriert: Geschichten vom Kaff der guten Hoffnungen 

Ostthüringer Zeitung 09.09. 2020

 

 von

Marius Koity

 

PÖSSNECK  Erneut inspirierte seine Heimatstadt den Pößnecker Schriftsteller Marko Kruppe zu Geschichten und Gedichten.

Marko Kruppe vor dem Café Dittmann in Pößneck, der Runden Ecke aus seinen „Geschichten vom Kaff der guten Hoffnung“.  Foto: Marius Koity
Marko Kruppe vor dem Café Dittmann in Pößneck, der Runden Ecke aus seinen „Geschichten vom Kaff der guten Hoffnung“. Foto: Marius Koity

In der Stadt ist nichts los, behaupten Pößnecker immer wieder. In der Stadt ist jedenfalls so viel los, dass der einheimische Schriftsteller Marko Kruppe ein drittes Buch mit Kurzgeschichten und Gedichten veröffentlichen konnte, die großteils von Pößnecker Geschehnissen inspiriert sind. „Geschichten vom Kaff der guten Hoffnung“ heißt das neue Werk mit reichlich Interpretationsspielraum schon im Titel. Erschienen ist es in der Edition Outbird aus Gera.

Auf knapp 120 Seiten pflegt der 42-jährige Autor und Rezitator seinen gewissen wütend-anklagenden Ton. Vor allem aber schenkt er – wie schon in „Von Sein und Zeit“ (2016)“ oder „Und in mir Weizenfelder“ (2018) – Außenseitern und Getriebenen und Unterdrückten seine Aufmerksamkeit.

 

Freddi und seine Angst vor Frauen

 

So porträtiert Kruppe die feuchte Renate in Versen und den roten Ronny in Fließtext. Er erzählt von Freddi und seiner Angst vor Frauen und davon, wie man zu Wehrpflicht-Zeiten als Punker einen Kasten Bier von der Bundeswehr geschenkt bekommen konnte. Der Jürgen mit der Hasenscharte kann es nicht leiden, wenn sein körperlicher Makel politisch korrekt als Lippen-Kiefer-Gaumenspalte angesprochen wird. Und Karl der Künstler, den die Anerkennung seiner Arbeit anwidert, will sich als bloßer Pinsler verstanden wissen. In seinen besten Texten sucht Kruppe den Menschen im Trottel und Säufer, in der Hure und im Eigenbrötler, und er findet das Menschliche in jedem Wrack, ohne Klischees bemühen zu müssen.

 

Prosa und Lyrik sind „bei Steve’s“ und in der Fußgängerzone angesiedelt, im Kaufland- oder im Nettopark. Wiederholt kommt die Runde Ecke vor, welcher wohl das Café Dittmann Porträt stand. Es wird Sternburg gesoffen und F6 geraucht und auch mal bewusst auf die Ware des Chefs uriniert, weil er Kameras zur Überwachung des Arbeitsplatzes installiert hat.

Discounterkasse oder während einer Nachtkurierfahrt sind Kruppe ebenso ein Nachdenken wert wie der Moment des ersten Gebets im sonst gottesfreien Leben. Gelegentlich sind Beobachtungen mit Selbstbefragungen verknüpft, und man ist als Leser geneigt, eine Antwort beizutragen, noch bevor der Autor die Auflösung seiner Gedankengänge anbietet.

 

Ein Poet der Straße

 

„Ich wollte Pößneck ein Denkmal setzen, auch wenn die Stadt an keiner Stelle namentlich vorkommt“, sagt Kruppe selbst zu seinem Buch. „Wenn ich von Denkmal spreche, dann meine ich nicht die Stadt selbst oder die Leute, die sie lenken, denn darüber ist ja oft und schön genug geschrieben worden, vielmehr meine ich die Menschen, die am Rande der Pößnecker Gesellschaft stehen und das Leben in der Stadt auf ihre eigene Art beeinflussen. Diese Menschen will ich eine Stimme geben, sie vielleicht auch ein bisschen erklären.“Freilich seien persönliche Züge seiner Protagonisten etwas verfremdet, denn es liege ihm fern, gerade die noch lebenden Charaktere bloßzustellen, so Kruppe. Erfunden sei aber nichts. „Ich bin nicht der typische Romanschriftsteller, dessen Fantasie für unzählige Bücher reicht, der seine Story aus der Luft greift. Meine Geschichten lese ich von der Straße auf, höre ich in der Kneipe, liegen in den Menschen, für dich ich mich interessiere.“

Dieses Selbstbild des Schriftstellers wird im Vor- und im Nachwort des Taschenbuchs auf den Punkt gebracht. „Kruppe ist im besten Sinne ein Poet der Straße“, schreibt der Künstler und Publizist Holger Much, der den Band auch illustriert hat. Und der Verleger Tristan Rosenkranz meint: „Kruppes Texte sind Schnappschüsse einer Kleinstadt, die überall im Osten Deutschlands liegen könnte.“

 

Zweieinhalb Seiten lang ist die Danksagung des umtriebigen Schriftstellers, und wie es sich für einen Bohemien gehört, finden da auch ungenannte Kneipen, Spätis und Brauereien Eingang. Gewidmet ist der Band Corina Gutmann (1962-2020), der viel zu früh verstorbenen Greizer Stadtbibliothekarin, die Kruppe im Laufe der Jahre vielfältig gefördert hatte.