Kaum, dass ich auf die Bühne kam, platzte der Knoten schon, denn wenn da so viele Leute vor dir stehen, die anfangen zu jubeln, obschon noch kein Wort gesagt ist, weißt du: "Geiles Publikum. Hier dürfte nur wenig schief gehen. Wenn du dich nicht verzettelst und cool bleibst, nimmt man dir hier nichts krumm." Und so eröffnete ich, sagte "Sing the Truth" an und ging mit dem vom Herzen gefallenen Fels zum ersten Mal von der Bühne. 

Die Anspannung löste sich. Ein bisschen zumindest, denn nun galt es, die vorbereitete Moderation für den nächsten Act weitestgehend auswendig zu lernen. Nur ablesend wollte ich nicht auf der Bühne stehen. Das setzte sich dann auch in den folgenden Tagen fort. 

In den Tagen vor dem Festival recherchierte ich intensiv zu den Bands die auf "meiner Bühne" standen, denn ich wollte keinesfalls das erzählen, was schon im Programmheft stand. Mehr Infos zu den Künstlerinnen und Künstlern, alternative Infos zur Biografie, zu weiteren Gigs, zur aktuellen Tournee ... Fakten eben, die nicht schon bekannt waren zu erzählen war mein Anspruch und dabei eine Redezeit von höchstens drei Minuten nicht überschreiten, schließlich waren die Menschen nicht meinetwegen, sondern wegen der Musik da. 

Im Vorgespräch sagte man mir, dass es kein Problem sei, auch mal eins meiner Gedichte vorzutragen, was ich anfangs ernsthaft in Erwägung zog, mich aber dann dagegen entschied, denn das wäre zu viel des Guten gewesen und mich auf diese Weise in den Mittelpunkt zu spielen ist schlicht nicht mein Ding. 

Lediglich die Abmoderation des letzten Konzertes, mit der ich auch das Rudolstadt Festival 2019 besiegelte, nutze ich, um meine Programm-Flyer am Bühnenrand verteilen zu lassen, wobei mir die Jungs von der Security, die ich während der vier Tage kennen und schätzen lernte, hilfreich zur Hand gingen. "Da waren welche dabei, die wollten sogar n Autogramm!" witzelten sie, als ich zum letzten Mal von der Bühne ging, mir ein Bier genehmigte und fragte, wie es lief. "Wir sind die ganze Zeit im Graben hin und her gelaufen und haben die Dinger verteilt. Die gingen weg wie warme Semmeln." 

Aber zurück zum Anfang. Mit Sing the Truth standen neben Musiker*innen von Weltrang drei Damen auf der Bühne, die nicht nur eigene Songs darboten, sondern vorwiegend den großen Sängerinnen der jüngeren Musikgeschichte ein nachdrückliches Denkmal setzten. Aritha Franklin, Tracy Chapmann oder Nina Simone, um nur wenige zu nennen, bekamen hier noch einmal Gesicht und Stimme in feinster Soul- und Jazzmanier. 

Ich stand, beim Ende des Konzertes, vor der ersten Zugabe, bereits am Bühnenrand und erlebte, wie Odetta zu Abbey Lincoln sagte: "What a amazing show. This audience is absolutley amazing, i cant belive it." Und so gaben sie noch einmal alles, flippten förmlich aus während ihrer Zugaben. 

 

La - 33 (La treinta y dress) hieß die zweite Band des Abends und heizten mit ihrem kolumbianischen Temperament noch einmal ordentlich an. Salsa legiert mit Ska und Jazz, eine Mischung, die das Publikum wach hielt und dafür sorgte, dass meine Aufgabe, den Abend ohne weitere Zugabe abzuschließen, eine schwere war. Freilich ist der Moderator in dem Fall der Arsch, der dem Wunsch nach mehr nicht stattgibt und so gab es tatsächlich Buh-Rufe, die ich freundlich weglächelte und versuchte, das nicht persönlich zu nehmen. Warum auch? Schließlich war genau das mein Job. Und das "Feierabendbier" des ausgebuhten Moderatirs schmeckt ob dieser Tatsache noch besser. "Manchmal ist Arschloch sein gar nicht so übel!" dachte ich mir und genoss das Kaltgetränk mit der Crew hinter der Bühne, auf die ich später noch zu sprechen komme.